Vereinte Nationen fordern stärkere menschenrechtliche Verantwortung und Engagement der Wirtschaft
Die größten Unternehmen verfügen heute über mehr Wirtschaftskraft als sogar viele mittelgroße Staaten. Der Umsatz von Wal-Mart ist weit größer als die Volkswirtschaft von Polen, DaimlerChrysler stellt Südafrika in den Schatten. Rund 65.000 multinationale Firmen mit 850.000 ausländischen Niederlassungen gibt es weltweit. Entsprechend sind ihre Macht und ihr Einfluss gestiegen. Die Vereinten Nationen versuchen deswegen in den letzten Jahren verstärkt, die Unternehmen in die Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung und die Wahrung von Menschenrechten einzubinden.
Ein trauriges Beispiel ist Rina Begum aus Bangladesch, ehemalige Näherin eines Zulieferbetriebes der Tchibo-Marke TCM. Aufgrund menschenunwürdiger Arbeitsverhältnisse, bis zu 21-stündige Akkordarbeit, keine Pausen, um zu Trinken oder zu Essen- und dennoch Lohnkürzungen, traut sich Rina zusammen mit Kolleginnen ihre Rechte einzufordern. Doch ohne Erfolg, sie wird verhaftet und danach fristlos entlasten. Dieser Vorfall steht nicht nur im Widerspruch zum firmeneigenen Verhaltenskodex von Tchibo und internationalen Konventionen, wie den Kernarbeitsformen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), sondern tritt auch nationale Gesetze mit Füssen. Eigentlich hat Bangladesch durchaus gute Arbeitsrechtsgesetze, die jedoch nicht umgesetzt werden.
Das Spannungsfeld von verbindlichen Regeln und Selbstverantwortung der Wirtschaft bestimmt auch die Politik der Vereinten Nationen. Ansätze zur Regulierung multinationaler Konzerne haben sich bislang auf internationaler Ebene nicht durchgesetzt. Stattdessen werden Liberalisierung, freiwillige Regelungen, Eigenverantwortung und Partnerschaften bevorzugt: Verantwortungsvolle Unternehmensführung, öffentlich-private Partnerschaften, ethisches Investment bis hin zum Global Compact der UN.
Dieser Globale Pakt (gestartet Juli2000) ist ein Versuch der Vereinten Nationen, Unternehmen stärker in die internationale Verantwortung einzubinden und versteht sich vor allem als ein Lernforum für die verbesserte Berücksichtigung sozialer und ökologischer Standards. Mittlerweile haben sich schon 2.300 Unternehmen dem Pakt angeschlossen. Auch der Entwurf der UN-Normen zur Unternehmensverantwortung (2003) ist ein weiterer Versuch, die Arbeits- und Sozialstandards, die Menschenrechte und den Umweltschutz zu verbessern. Da hierbei jedoch die Unternehmen stärker beobachtet und für die Umsetzung in ihrem Einflussbereich in die Verantwortung genommen werden sollen, und sogar als letztes Mittel Entschädigungspflichten vorgesehen sind, geht dies vielen Wirtschaftsverbänden und auch Regierungen zu weit. Daher ist der Normenkatalog noch nicht verabschiedet worden. Eine wichtige Kontrollfunktion auf internationaler Ebene bei der Wahrung sozialer und ökologischer Rechte haben auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs), sie fordern verbindlichere Regeln zur Unternehmensverantwortung und mehr Transparenz. Regierungen versuchen ebenfalls Unternehmen in Partnerschaften einzubinden. Allein die Bundesregierung begann im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit von 1999- 2004 über 1.400 öffentlich-private Partnerschaften in rund 70 Ländern.
Es gibt viele Ansätze für eine stärkere Verpflichtung der Unternehmen auf Menschenrechte sowie Sozial- und Umweltstandards. Doch reichen sie aus um z.B. Näherinnen in Billiglohnländern, wie Rina, menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu sichern? Kann so verhindert werden, dass sich transnationale Firmen Wettbewerbsvorteile verschaffen, indem sie ihre Produktion in Länder mir niedrigeren Sozial- und Umweltstandards auslagern?
Mehr zu diesem Thema in der aktuellen Ausgabe von „Eine-Welt-Presse“ der deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen